Von Anna-Maria Schneider

Südkurier 8.6.2020

Kaum etwas hat unter der Corona-Pandemie so sehr gelitten wie die Freizeitgestaltung. Zahlreiche Hobbys wurden verboten, Sport- und Musikvereine haben Proben und Trainingsbetrieb eingestellt, Reisen war ebenfalls nicht erlaubt. Obwohl viele Verbote aufgehoben wurden, hat ein Verein noch keine Möglichkeit, sich wieder treffen zu dürfen: der Gemischte Chor Radolfzell.

Gemeinsames Singen ist laut Corona-Verordnung zwar unter Auflagen erlaubt, doch für den Chor sind diese nicht umsetzbar (siehe Kasten). Doch der Chor lässt sich davon nicht entmutigen und trifft sich nach wie vor jeden Dienstag zur Probe – digital. „Wir können zwar nicht zusammen singen, aber proben können wir schon“, sagt Chorleiter Jochen Stuppi.

Im Mittelpunkt stehe bei der Probe ganz klar der Unterhaltungsfaktor. Stuppi sei es wichtig, dass alle vor ihrer Webcam Spaß haben. „Ich habe mich gefragt, was kann ich anbieten, was diese Lücke etwas schließt, die das Probenverbot hinterlassen hat“, erklärt Jochen Stuppi. Er versuche eine lockere Atmosphäre zu schaffen und plaudere wie ein Radio-Moderator vor sich her, ohne in einen Dialog zu treten.

Dies würde aufgrund der hohen Anzahl an Chormitgliedern nicht gehen. In eine normale Probe würden an die 50 Sänger kommen, online sind es noch immer 25 Mitglieder, die sich Woche für Woche online einwählen. Über das Videochat-Programm Zoom schalten sich die Mitglieder in die virtuelle Probe ein, alle sind stummgeschalten, sie können nur Chorleiter Stuppi hören.

Doch wird auch musikalisch gearbeitet. Mit dem Chorleiter kann jede Sängerin und jeder Sänger für sich selbst daheim ein Duett singen, Stuppi begleitet diese auf dem Klavier. „So kann man an der individuellen Stimmbildung arbeiten“, erklärt der Chorleiter.

Dies ginge allein ohnehin besser als in der Gruppe. Dass alle zusammen singen ginge wegen der Zeitversetzung durch das Internet nicht. Doch der Ablauf der Probe richte sich erstaunlich nah an den Ablauf einer normalen Probe vor Corona.

Den Mitgliedern gefällt die Online-Alternative, auch wenn es ungewohnt war. „Die eigene Stimme so präsent zu hören, daran musste man sich erst gewöhnen“, sagt Elisabeth Schmid, Vorsitzende des Gemischten Chors. Doch sei es genauso ungewohnt gewesen, dienstags nicht in die Probe zu gehen. Von dem her seien alle froh, dass man ein bisschen die Gemeinschaft des Chors spüren könne.

Alle Mitglieder haben die Möglichkeit, die Chorprobe zu bereichern, etwa durch kleine Vorträge nach den Singübungen. Die gemeinsamen Proben wirkten sich nicht nur positiv auf die Stimmbildung aus, sondern auch auf die Gesundheit, ist sich Anke Kehl, Schriftführerin des Vereins sicher. „Studien belegen, dass Singen die Immunabwehr steigert und durch die Ausschüttung von körpereigenen Glückshormonen glücklich macht“, sagt sie.

Ein paar Glückshormone haben die Sängerinnen und Sänger auch dringend nötig. Der Chor hatte eine Konzertreise nach New York geplant gehabt, diese wurde in letzter Minute Anfang März annulliert. Am 20. März hätte der Chor im Lincoln Center auftreten wollen, lange hatten sie sich darauf vorbereitet. Die Enttäuschung über die Absage sei groß gewesen. Jetzt blicken alle nach vorne und hoffen bald wieder zusammen singen zu dürfen.